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Über planetare Krisen berichten
Eine journalistische Verantwortung
Muss Journalismus nicht neutral sein?
Journalistische Neutralität ist ein Ideal, das häufig angestrebt, aber selten erreicht wird. Dennoch sind vor allem Klimajournalist:innen immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, nicht neutral, gar „aktivistisch“ zu sein. Die Forderung, immer gleichberechtigt „beide Seiten“ zu Wort kommen zu lassen, führt aber in diesem Fall unweigerlich zu False Balance: Bei Leser:innen entsteht so der Eindruck, es gebe in der Wissenschaft noch große Zweifel am Klimawandel. Nichts könnte falscher sein: Die globale Erhitzung ist durch zehntausende Studien inzwischen eindeutig belegt. Seriöse Forscher:innen sind sich einig: Die Klimakrise bedroht unsere Gesundheit, unsere Demokratie, unsere Lebensgrundlagen – und das nicht in ferner Zukunft, sondern bereits jetzt.
Die Bundesrepublik hat sich mit dem Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 dazu verpflichtet, den Anstieg der weltweiten Temperatur auf deutlich unter 2 Grad, idealerweise 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Die Trend deutet aktuelle aber eher auf ein 3-Grad-Szenario: Der Emission Gap Report 2023 des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zeigt auf, dass die Welt derzeit auf eine Erwärmung von 2,9 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zusteuert. Um die Ziele aus Pariser Abkommen zu erreichen, müssten die Treibhausgase sehr viel stärker fallen. Der Bericht zeigt auch auf, welche Methoden dabei mehr Risiken oder Potenziale bieten – von naturbasierten Lösungen, dem Auffangen von Treibhausgasen bis zur Speicherung von CO2. Die Einhaltung dieses völkerrechtlich bindenden Vertrags zu überwachen, Fake News zu entzaubern und politische Fehlentscheidungen anzuprangern, ist die Aufgabe der Vierten Gewalt. Über das Klima zu berichten ist kein Aktivismus, sondern journalistische Pflicht.
Wieso beschäftigen sich die Medien erst seit so kurzer Zeit mit dem Thema?
Die Förderung, der Verkauf und das Verbrennen fossiler Brennstoffe und damit verbundener Branchen (beispielsweise die Automobilindustrie) sind ein Milliardengeschäft. Fossilunternehmen wussten durch die Forschung konzerninterner Wissenschaftler teilweise bereits seit den 1970er Jahren von den Gefahren eines ungebremsten Klimawandels, Biodiversitätsverlust und Umweltzerstörung für die Menschheit. Sie entschieden sich nicht nur, die Ergebnisse geheim zu halten, sondern durch gezielte Desinformationskampagnen Zweifel an der Klimawissenschaft zu säen.
Was wie ein Verschwörungsmythos klingt, ist leider inzwischen vielfach belegt. Bereits 2015 enthüllten Journalist:innen die Machenschaften des Ölriesen Exxon durch Auswertung interner Dokumente. Die Recherche, die zuerst bei „Inside Climate News“ erschien, wurde für den Pulitzer-Preis nominiert. Unternehmen wie Shell, BP und Total gingen ähnlich vor. Auch in Deutschland blockiert die „Klimaschmutzlobby“ seit Langem wichtige Maßnahmen gegen die Klimakrise. Die Verbindungen reichen dabei teils bis zu amerikanischen Thinktanks, die mit dem Leugnen des Klimawandels ihr Geschäftsmodell bewahren wollen.
Jahrzehntelang täuschten diese Unternehmen die Öffentlichkeit – und auch die Medien. Das änderte sich erst durch Protestbewegungen wie „Fridays for Future“, die wiederum viele Klimawissenschaftler:innen ermutigten, sich gegen die Diffamierungsversuche durch Fossilkonzerne aufzulehnen. Der Klimawandel ist nicht „plötzlich zum Thema geworden“, sondern erhält endlich ansatzweise die Aufmerksamkeit, die sie verdient.
Berichten die Medien nicht schon genug über die Klimakrise?
In den vergangenen Jahren wurde die Berichterstattung über die Klimakrise deutlich ausgebaut: Das Magazin Die Zeit startete „Zeit Green“, die taz das „Klima-Hub“, der Spiegel richtete eine eigene Rubrik zur Klimakrise ein, es entstanden Podcasts, Instagram-Kanäle und andere Formate. Auch lokale Tageszeitungen greifen das Thema immer mehr auf. Ausgerechnet im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk ist die Berichterstattung aber weiterhin ausbaufähig, wie jüngst wieder Tschötschel et al. (2022): Inhaltsanalyse der „Tagesschau“ und des Gesamtprogramms von Das Erste, ZDF und WDR 2007 bis 2022. Der Klimawandel im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.eine Untersuchung ergab.
Häufig ist die mediale Aufmerksamkeit (zu) anlassbezogen: Im Sommer, wenn Hitze und Dürre herrschen, oder nach Katastrophen wie der Ahrtal-Flut werden in schneller Folge zahlreiche Artikel veröffentlicht, sobald die Temperaturen aber wieder fallen, geht die Klimakrise im normalen Tagesgeschäft unter. Nötig wäre eine regelmäßige Berichterstattung, die alle Aspekte des Themas beleuchtet. Ansatzpunkte dafür gibt es genug.
Die Klimakrise ist ein globales Thema. Wieso braucht es lokalen Klimajournalismus?
Die großen Weichen werden zwar in Berlin, Brüssel und auf der Weltklimakonferenz gestellt, doch die Umsetzung liegt in Deutschland in den Händen der Bundesländer, Landkreise oder Kommunen. Leser:innen interessieren sich für die Auswirkungen des Klimawandels vor Ort und haben ein Recht darauf zu erfahren, welche Maßnahmen die Lokalpolitik dagegen ergreift. Gerade lokale Tageszeitungen werden häufig von älteren Menschen gelesen, die von den gesundheitlichen Folgen besonders betroffen sind. Es ist Aufgabe des Lokaljournalismus, die Bevölkerung darüber zu informieren, zu warnen und zu schützen. Dasselbe gilt auch für Themen rund um die Biodiversitätskrise, die mit der Klimakrise zusammen massive Auswirkungen auf unsere Ernährungssicherheit und unsere Gesundheit hat. Hier sind es gerade Entscheidungen auf lokaler Ebene, die kritisch hinterfragt und eingeordnet werden müssen, um die Rezipient:innen vor Ort entscheidungsfähig und handlungsfähig zu machen. Der Bezug zur Heimat, die Angst vor Verlusten in der regionalen Biodiversität sind starke Motivatoren für Menschen, sich für eine klimafreundliche, gesunde und artenreiche Umwelt einzusetzen.
Wollen die Leute das überhaupt lesen?
Während der beitragsfinanzierte Öffentlich-Rechtliche Rundfunk einen Bildungsauftrag hat, der auf Klickzahlen keine Rücksicht nehmen muss, unterliegen Tageszeitungen wirtschaftlichen Zwängen. Lange Zeit galt in vielen Medienhäusern das geflügelte Wort: „Klima klickt nicht“. Dass dies nicht stimmt, Das Thema unserer Zeit: Wie die Neue Osnabrücker Zeitung mit Klima neue Zielgruppen erreicht. In: Drehscheibe – aus Lokalredaktionen für Lokalredaktionen: Klima und Katastrophe.bewies unter anderem das Klima-Projekt des HHLabs (Unternehmensgruppe NOZ Medien) aus dem Jahr 2021. Das Ergebnis: Mit guter und regelmäßiger Klimaberichterstattung konnten rund 30 Prozent mehr Leser:innen erreicht und neue Zielgruppen erschlossen werden.
Klima ist zudem kein Thema, das allein betrachtet werden sollte, sondern eine Dimension, die nicht auf ein Ressort beschränkt ist: Die Klimakrise berührt Fragen der Gesundheit, der Verkehrs- und Stadtplanung, Infrastruktur, Ernährung, Wirtschaft, Politik und vieles mehr – alles klassische Themen, die gelesen werden.
Die Umweltbundesamt (2023): Umweltbewusstsein in Deutschland 2022.Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamtes zeigt, dass in Deutschland ein starkes Interesse am Umwelt- und Klimaschutz besteht, insbesondere in Bezug auf die Gesundheit. Im Jahr 2022 betrachten die Deutschen den Klimawandel und Umweltschutz als das fünftwichtigste politische Anliegen, nach Gesundheitssystem, Bildung, sozialer Gerechtigkeit und Sicherheitspolitik. Die Auswirkungen der Klimakrise, wie Dürre, Hitze, Starkregen und Sturzfluten, werden von der Mehrheit der Deutschen wahrgenommen. Gleichzeitig wächst die Besorgnis über die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise. Im Vergleich zu 2016 stieg der Anteil derjenigen, die den Klimawandel als gesundheitsschädlich empfinden, im Jahr 2022 von 59 % auf 73 %. Besonders das Gesundheitssystem und die Pflege werden als sehr anfällig für diese Auswirkungen angesehen. Die Studie widerlegt zudem die Annahme, dass die Ansichten zwischen älteren und jüngeren Generationen stark differieren. Sowohl die Altersgruppen 14-29 als auch ab 65 Jahren messen Umweltthemen große Bedeutung bei.
Eine malisa Stiftung (2023): Klimawandel und Biodiversität: Was zeigt das Fernsehen – Was wollen die Zuschauerinnen?Untersuchung zur Präsenz von Klimakrise und Biodiversitätsverlust aus dem Jahr 2023 die von der MaLisa Stiftung, ARD, ZDF, ProSiebenSat.1 und RTL Deutschland initiiert wurde, zeigt ebenfalls ein großes Interesse der Zuschauer:innen an diesen Themen. Über die Hälfte der Befragten gibt an, dass Extremwetter-Ereignisse ihre Wahrnehmung vom Klimawandel verändert haben. Das Publikum wünscht sich demnach mehr Präsenz von Klimawandel und Biodiversität im Hauptprogramm. Tatsächlich ist hier noch sehr viel Luft nach oben: der relative Anteil beim Thema Klimawandel liegt bei nur bei 1,8 % der Sendeminuten insgesamt, der Anteil von Biodiversität sogar nur bei 0,2%. Das Publikum wünscht sich laut der MaLisa-Studie nicht nur mehr Präsenz von Klimawandel und Biodiversität im Hauptprogramm, sondern auch klar definierte Sendeplätze für diese Themen.
Wie geht guter Klimajournalismus?
Guter Klimajournalismus beschränkt sich nicht auf individuelle Verhaltensänderungen, sondern behält das große Ganze im Blick, benennt mögliche Lösungen, aber auch Hürden und Probleme. Er fällt nicht auf Scheinlösungen, Greenwashing oder Methoden der Wissenschaftsleugnung herein, ordnet politische Entscheidungen für die Rezipient:innen ein und konfrontiert Politiker:innen mit den Folgen ihres Handels. Er mahnt, ohne in Katastrophismus zu verfallen, und macht Mut, ohne zu verharmlosen. Er ist nah an den Rezipient:innen und ihrer Lebenswelt und gibt die wissenschaftlichen Erkenntnisse verständlich wider. Diskussionen über die richtige Wortwahl, die richtigen Narrative können auch abschreckend wirken bzw. davon abhalten, sich aus anderen Ressorts als den einschlägigen heraus oder aus dem Lokaljournalismus überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen. Letztlich ist aber die Frage, ob nun das Wort „Klimawandel“ oder „Klimakrise“ genau der oben genannten Gratwanderung zwischen Katastrophismus und Verharmlosung gerecht wird, nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass mehr über die genannten Zusammenhänge berichtet wird. Die Seite Klimafakten.de erklärt zentrale Begriffe im Themenbereich in ihrem umfangreichen Glossar, stellt den hartnäckigsten Mythen zum Thema die Fakten gegenüber und hat ein Handbuch zu Klimakommunikation veröffentlicht. Das Science Media Center bereitet aktuelle Studien zum Thema auf und holt zu deren Einordnung zitierfähige Statements von Expert:innen ein. Für regionale Stimmen zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels kann man sich bei den vielen Ortsgruppen von Health for Future oder bei den KlimaDocs melden.
Muss Klimajournalismus konstruktiv sein?
Konstruktiver Journalismus ist ein gutes Instrument: Ständige Katastrophenmeldungen entmutigen die Leser:innen, was zu Medienvermeidung führt. Allerdings ist ein konstruktiver Ansatz nicht bei jedem Thema möglich: Auch investigative Recherchen sind weiterhin ein hochwichtiger Bestandteil der journalistischen Arbeit.
Wie überzeuge ich meine Redaktion von Klimajournalismus?
In diesen Hinweisen stehen bereits die wichtigsten Gründe: Über das Klima zu berichten ist Teil der journalistischen Pflicht, Leser:innen interessieren sich für das Thema, andere Medien haben es bereits aufgegriffen, es bietet neue Chancen zur Monetarisierung. Wenn das die Chefredaktion noch nicht überzeugt, kann es helfen, innerhalb der Redaktion nach Mitstreiter:innen zu suchen.
Wie kann ich mich mit anderen Journalist:innen vernetzen?
Seit 2021 gibt es in Deutschland das Netzwerk Klimajournalismus, das unter anderem einen Slack-Kanal betreibt und bei regelmäßigen Zoom-Calls Klimajournalist:innen aus ganz Deutschland zusammenbringt. Auch das Recherchenetzwerk Correctiv hat seit einiger Zeit einen Klimaschwerpunkt und veröffentlicht regelmäßige Recherche-Rezepte, die von (Lokal-)Journalist:innen genutzt werden können. Um darauf zugreifen zu können, ist eine Registrierung notwendig, die allerdings kostenlos ist.
Allgemeine Klima-Fragen
Was steckt hinter dem One-Health-Ansatz?
Die zurückliegende Pandemie, die Zunahme von Antibiotikaresistenzen, die wachsende Anzahl von Menschen mit allergischem Asthma, steigende Herz-Kreislauf-Erkrankungen und nicht zuletzt viele Tausend Hitzetote in Deutschland pro Jahr zeigen, wie wichtig es ist, die Gesundheit der Menschen weiter zu fassen und den Menschen nicht mehr isoliert von seiner Umwelt zu betrachten. Wie gesund kann etwa ein Lebensmittel sein, wenn dafür Regenwald gerodet wird und große Mengen Antibiotika verabreicht werden? Der One-Health-Ansatz beruht auf genau dieser Erkenntnis: dass eine enge Verbindung zwischen der Gesundheit von Menschen, Tieren und der Umwelt existiert und nur eine Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, Wissenschaften oder Behörden zu nachhaltigen Lösungen führen kann. Der Medienservice beleuchtet deshalb insbesondere die Schnittstellen zwischen menschlicher Gesundheit, Biodiversität und Klimaschutz.
Warum ist die 1,5-Grad-Grenze so wichtig?
Im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 einigten sich 195 Länder darauf, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um den „Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau [zu halten] und Anstrengungen [zu unternehmen], um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“. Die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze ist von entscheidender Bedeutung, um die schwerwiegendsten Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels zu begrenzen und die Lebensgrundlagen der Menschheit zu sichern. Konkret bedeutet sie, dass der weltweite durchschnittliche Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt seit Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 2100 1,5 Grad Celsius nicht überschreiten darf. Schon heute ist es auf der Welt im Durchschnitt 1,1 Grad Celsius wärmer als zu vorindustriellen Zeiten.
In Deutscher Wetterdienst (o.J.): Klimawandel – Ein Überblick.Deutschland liegt die Erwärmung im Jahresmittel deutlich über dem globalen Durchschnitt, generell heizen sich Landmassen stärker auf als Wasser. Zwischen 1881 und 2021 allein sind die Temperaturen um 1,6 Grad Celsius gestiegen. Das klingt nach wenig, doch die schweren Folgen zeigen sich bereits heute – etwa durch vermehrte Dürren und Extremwetter. Mit jedem Grad Erwärmung nimmt die Luft etwa Deutsches Klimakonsortium (o.J.): Klima-FAQ 8.1 | Wasserdampf.7 Prozent mehr Wasserdampf auf – ein Konzentrationsanstieg, der nicht nur für mehr Wetterextreme sorgt, sondern auch seinerseits den Treibhauseffekt und letztlich die globale Erwärmung verstärkt. Die Auswirkungen zunehmender Hitzetage treffen Deutschland auch im weltweiten Vergleich besonders stark: Tausende Hitzetote zeugen hierzulande von der Klimakrise.
Schon bei einer Erwärmung von 1,1 Grad Celsius besteht die Gefahr, dass fünf Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (2022): Risiko des Überschreitens mehrerer Klima-Kipppunkte steigt bei einer globalen Erwärmung von mehr als 1,5°C.gefährliche Klima-Kipppunkte überschritten werden. Selbst wenn die 1,5-Grad-Grenze trotz globaler Anstrengungen nicht eingehalten werden kann, lohnt es sich, gegen jedes weitere Zehntelgrad Erwärmung zu kämpfen. Szenarien zur weiteren Temperaturerhöhung beruhen auf Modellen – allerdings zeigt die Erfahrung, dass die bislang prognostizierten Effekte eher noch schneller und drastischer ausfielen als von den Wissenschafler:innen vorausgesagt.
Was sind Kipp-Punkte?
Unser Erdsystem und damit der Erhalt unserer Lebensgrundlagen ist durch das Überschreiten verschiedener Kipp-Punkte in Folge der globalen Erwärmung unmittelbar gefährdet. Solche Kipp-Punkte sind etwa das Abschmelzen der grönländischen und westantarktischen Eisschilde, ein weitgehendes und plötzliches Abtauen der Permafrostböden, das Absterben der tropischen Korallenriffe oder der Zusammenbruch ozeanischer Umwälzpumpen in der Labradorsee.
Das Eintreten von vier dieser fünf Ereignisse werden laut einer McCay et al. (2022): Exceeding 1.5°C global warming could trigger multiple climate tipping points.umfangreichen Analyse von mehr als 200 Studien bei einer globalen Erwärmung von 1,5 °C „wahrscheinlich“ und fünf weitere werden bei einem Erwärmungsniveau von 1,5°C als „möglich“ eingestuft.
Schon das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (o.J.): Kippelemente – Großrisiken im Erdsystem.Erreichen einzelner Kipp-Punkte hat schwerwiegende Auswirkungen, die die Lebensgrundlage vieler Menschen gefährden. Außerdem können dadurch weitere Kipp-Punkte im Erdsystem schneller erreicht werden, ähnlich wie bei einer Kettenreaktion in einer Dominostein-Reihe.
Wieviel Zeit haben wir noch?
Im Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle (o.J.): Übersetzungen.aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC warnen die Autor:innen davor, dass die Grenze von 1,5 Grad bei derzeitiger globaler Erwärmung schon in wenigen Jahren überschritten wird. Fast alle Szenarien sagen eine solche Erwärmung um 1,5 Grad schon im Zeitraum 2030 bis 2035 voraus. Laut Weltklimarat muss die Welt bis spätestens 2050 klimaneutral sein. Bis 2030 dürfen demnach jährlich nur noch ungefähr halb so viele Emissionen ausgestoßen werden wie heute. Das Mercator Research Institute hat eine Mercator Research Institute on Global Commons and CLimate Change (o.J.): Laufende CO2-Uhr.laufende CO2-Uhr entwickelt, basierend auf den Daten des Weltklimarates. Das Ausmaß, in dem wir und zukünftige Generationen unter den Auswirkungen der Klimakatastrophe leiden werden, hängt davon ab, was wir in diesen wenigen kommenden Jahren tun werden.
Daraus ergibt sich ein CO2-Budget oder Emissionsbudget als Gesamtmenge von CO2 aus menschengemachten Quellen, die emittiert werden darf, wenn die 1,5-Grad-Grenze gehalten werden soll.
Was bedeutet „Klimagerechtigkeit“?
Die Klimakatastrophe trifft die Menschheit nicht gleichermaßen. Am meisten leiden Menschen unter den Folgen der Klimakatastrophe, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Die Flutkatastrophe in Pakistan im Jahr 2022, die über Tausend Menschenleben forderte, wäre ohne die Einwirkung der menschengemachten Klimaerwärmung nicht denkbar gewesen. Gleichzeitig sind die Treibhausgasemissionen Pakistans um ein Vielfaches geringer als in den Industrienationen des Globalen Nordens. Klimaungerechtigkeit herrscht aber auch in Deutschland selbst. Während einkommensschwächere Menschen deutlich weniger zur Klimakrise beitragen, weil ihnen schlicht die Mittel fehlen für einen CO2-intensiven Lebenswandel, sind sie es, die insbesondere durch Arbeits- und Wohnverhältnisse, den Folgen der Klimakrise wie extremer Hitze oder höherer Schadstoffbelastung ausgesetzt sind. Darüber hinaus sind Silva-Schmidt (2023): Warum der Klimawandel behinderte Menschen besonders trifft.behinderte Menschen stärker von den Auswirkungen der Klimakatastrophe betroffen, etwa weil sie (abhängig von ihrer Behinderung) stärker unter Hitze- oder Schadstoffbelastung leiden oder weil sie in Katastrophenlagen, die durch Extremwettereignisse häufiger auftreten, schwerer zu evakuieren sind. Diese besonderen Belastungen und Erfordernisse werden bislang nicht ausreichend berücksichtigt. Während des Hochwassers im Ahrtal kam es deshalb zu einer Tragödie: Zwölf behinderte Menschen ertranken in einer Einrichtung der Lebenshilfe.
„Aber die Chinesen!“ - warum ist Deutschland gefragt?
Der Anteil Deutschlands an der globalen Klimaerwärmung ist immer wieder Gegenstand medialer und politischer Scheindebatten. Tatsache ist, dass Deutschlands Wohlstand auf Emissionen fußt, die noch immer in der Atmosphäre sind und bis heute nur fünf Länder weltweit mehr Treibhausgase emittieren als Deutschland. Die EU ist nach China und den USA der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen – das sind knapp 10 Prozent der globalen Emissionen. Deutschland könnte dabei helfen, aus Europa den ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Die Vorbildfunktion von Klimapolitik ist nicht zu unterschätzen: Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde auf der Welt vielfach kopiert.
Gleichzeitig wird der Anteil Deutschlands an den weltweiten Treibhausgasen oft schön gerechnet: Durch Lieferketten und Konsum verursacht Deutschland Emissionen auch in anderen Ländern. Deutschland wirkt aber nicht nur durch seine Zuliefer- und Produktionsstandorte auf die globalen Treibhausemissionen: Der frühe Ausbau von Solar- und Windkraft in Deutschland hat diese Technologie überhaupt erst erschwinglich gemacht – nur so können viele andere Länder heute ihre Energiewende vorantreiben. Und selbst wenn in China noch neue Kohlekraftwerke gebaut werden – die Volksrepublik hat ganze 546 Mrd. US Dollar in den Ausbau der Erneuerbaren investiert. Sind diese Strukturen einmal vorhanden, stellen sie die deutlich wirtschaftlichere Energiequelle dar im Vergleich zur fossilen Energie. Die Volksrepublik könnte die globale Energiewende daher nicht nur verzögern, sondern auch – recht plötzlich – stark beschleunigen, zumal PV Magazin (2023): China überholt die Welt bei Elektroautos und Erneuerbaren.China absoluter Weltmarktführer in der Solartechnologie ist und seine Elektromobilität rasant ausbauen konnte.
Das Deutsche Klimakonsortium stellt auf seiner Seite weitere Fakten zu anderen Punkten der Klimadebatte bereit.